NRZ: Weltspitze im Wiegen

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Bei Waagen Döhrn aus Wesel spielen Gewichte eine ganz große Rolle

Die Lage auf der Waage? An diesem Vormittag weniger gut. Achtzigeinhalb. Kann gar nicht sein. „Ganz sicher?“, frage ich. Carsten Döhrn schaut sicherheitshalber noch mal hin, hat die Einstellungen auf der mechanischen Waage haargenau justiert. Ein paar Meter weiter daneben sieht die Waagen-Wahrheit bestimmt besser aus,hoffe ich. Nix da. Wieder 80,5.

Und Jonas Borgmann weiß es sogar noch besser: „80,55“. Zeigt hier die elektronische Anzeige an, kein Zweifel. Aber Carsten Döhrn will helfen. „Legen Sie doch mal Handy, Portemonnaie und Schlüssel zur Seite, dann sieht’s schon besser aus.“ Stimmt. Immerhin sind es nur noch 79,5 – wenigstens eine 7 vor dem Komma.

Immer wieder bekommen wir Anfragen, welche Fahrzeuge wir denn so haben, die Anrufer übersehen das zweite a.

Jonas Borgmann, kaufmännischer Leiter, über falsche Anrufe im Unternehmen

Hier am Spaltmannsfeld kommt selbst das kleinste Gewicht ganz groß raus – Waagen Döhrn ist in der Branche einer der Marktführer bundesweit. Und das nun schon seit 1907, als Fritz Döhrn, gelernter Waagenbauer, das Unternehmen aus der Taufe hob. Es folgten Ernst, Manfred und Carsten Döhrn, der als Geschäftsführer aktuell die Fäden in der Hand hält

Im Supermarkt und Krankenhaus

Doch die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Schwiegersohn Jonas Borgmann wird den Betrieb in ein paar Jahren als kaufmännischer Leiter zusammen mit dem technischen Leiter Markus Kirchner in einer Art Doppelspitze weiterführen. Es gibt wohl keinen Ort, in dem man im Handel und in der Industrie nicht irgendwann und irgendwo einer Waage von Döhrn begegnet. Sei es an der Obst- oder Fleischtheke im Lebensmittelmarkt, im Restaurant des Lieblingskochs, im Krankenhaus in der Nachbarschaft, in der Biogasanlage beim Landwirt um die Ecke oder in der Futtermittel-Forschung und im Recyclinghof, Kieswerk oder Chemieunternehmen.

Denn große Lkw-Waagen sind das Hauptmetier der Firma. Wenn irgendwo im Land ein Lastwagen mit Müll oder Baustoffen über eine Waage fährt, stammt die in der Regel aus Wesel. Die vollautomatischen Bediensäulen mit Touchdisplay, Anleitung in zehn Sprachen und sogar mit eigener Klimaanlage, wie sie zuletzt mal im sonnenverwöhnten Freiburg gewünscht, sparen Zeit und Personal – der Fahrer bedient das Terminal vom Cockpit aus, ohne aussteigen zu müssen. Natürlich hat das seinen Preis: Lkw-Waagen können mit bis zu 100.000 Euro zu Buche schlagen, was auch den derzeitigen Preissteigerungen geschuldet ist.

Wiegen, steuern, dosieren – das macht Waagen Döhrn seit nunmehr 115 Jahren. Doch noch immer ist das scheinbar nicht bei allen angenommen. An dieser Stelle erzählt Jonas Borgmann gerne die alte wie immer noch aktuelle Anekdote: „Immer wieder bekommen wir Anfragen,
welche Fahrzeuge wir denn so haben, die Anrufer übersehen das zweite a.“

Schmunzeln musste der kaufmännische Leiter auch beim Anruf eines Freundes direkt aus dem Kreißsaal des Marien-Hospitals, wo der Nachwuchs gerade das Licht der Welt erblickt hatte und gewogen werden musste. Klar, auf einer Waage von Döhrn. Denn auch in Krankenhäusern, in der der Medizintechnik und in Laboren sind die Geräte aus Wesel begehrt.

„Wer heute etwas ein- oder verkauft, braucht geeichte Waagen“, weiß Carsten Döhrn. „Und das in jeder Branche, egal, ob ich Sand, Kies oder Lebensmittel verkaufe“, ergänzt Jonas Borgmann. Exportiert wird seit jeher in die ganze Welt –neben Deutschland in die Beneluxstaaten, nach Südeuropa und England, aber auch China, Ägypten und Brasilien. „Unser Hauptmarkt ist aber Deutschland“, sagt der Geschäftsführer.

Die jeweiligen Einzelteile und auch die Betonteile lässt Döhrn extern anfertigen, die Montage – mit den Elektronikteilen und der zugehörigen Software – erfolgt in der eigenen Werkstatt im Schepersfeld. Hier nimmt das 25 Mitarbeiter zählende Team auch die Reparaturen und Wartungen vor, bis zu drei Tonnen können in der Halle gewogen werden.

Zudem vermietet die Firma ihre Waagen – beispielsweise für befristete Bauprojekte wie gerade in der Schweiz. Einmal im Monat, jeweils am letzten Mittwoch, kommt ein Mitarbeiter des Eichamtes Duisburg in die Firma, um vor Ort von den Kunden vorbeigebrachte mobile Waagen zu prüfen und mit einem Aufkleber zu versehen – nur die erste Eichung darf der Hersteller selbst übernehmen.

Fachkräftemangel ist ein Thema

Ein Thema aber auch bei Döhrn: der Fachkräftemangel. „Das bekommen auch wir deutlich zu spüren“, sagt Geschäftsführer Carsten Döhrn. Auszubildende für den Beruf als Elektroniker für Betriebstechnik finden sich nur schwer, wenigstens hilft da die Kooperation mit Westnetz. Jedes Jahr möchte das Unternehmen einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen.

Denn die Zahl der Aufträge steigt kontinuierlich zumindest noch bis kommendes Jahr an. Allein sechs Aufträge beispielsweise für Block- Heizkraftwerke liegen derzeit vor. „Corona führte nicht zum Produktionsstopp- lediglich einige Eichtermine mussten abgesagt werden. Wir haben weiter ausgeliefert“, sagt Carsten Döhrn. Auch die Zeiten der Waagen haben sich gewandelt, inzwischen haben die vollelektronischen Modelle die früheren mechanischen fast komplett ersetzt. Bringt in meinem Falle aber kein anderes Ergebnis…

Zum Beitrag der NRZ: https://www.nrz.de/staedte/wesel-hamminkeln-schermbeck/wesel-bei-doehrn-dreht-sich-alles-um-die-welt-der-waagen-id235820731.html
Foto: LARS FRÖHLICH / FUNKE FOTO SERVICES

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